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Rudolf Steiner
Ergebnisse der Geistesforschung
GA 62 (Vortrag vom 7. November 1912)
Wie begründet man Geistesforschung?
In den vorangehenden Ausführungen gestattete ich mir, eine Anzahl von Einwendungen, von Widerlegungen der Geistesforschung oder Anthroposophie anzuführen. Es würde nun ein Missverständnis sein, wenn etwa der Glaube herrschen sollte, der heutige Vortrag sei dazu, bestimmt, diese Widerlegungen wiederum zu widerlegen; denn das soll von vornherein gesagt sein: nicht um ein Gedankenspiel, nicht um ein dialektisches Spiel mit Gründen und Gegengründen soll es sich handeln. Diejenige Geistesforschung, von der hier die Rede sein soll und immer die Rede gewesen ist, sie soll durchaus in vollem Einklange mit der Wissenschaft und der Bildung der Gegenwart arbeiten. Daher sind die letzthin erwähnten Entgegnungen auch nicht in dem Sinne angeführt worden, als ob man sie leichten Herzens so ohne weiteres aus der Welt schaffen könnte; sondern sie sind in dem Sinne angeführt worden, daß sie gewissermaßen berechtigterweise in der heutigen Seele auftauchen, in der Seele, welche mit den Errungenschaften unserer Geisteswissenschaft, mit den Fortschritten unserer Geisteskultur bis in die Gegenwart rechnet. Nicht als unberechtigte Einwendungen, sondern als in ihren Grenzen berechtigte Einwendungen sind sie vorgebracht worden, und es sollte das Gefühl erweckt werden von dem Ernste, mit dem die Geistesforschung arbeiten möchte, und von dem Bewußtsein, daß sie aus ihren Quellen heraus die volle Verantwortung für sich selber übernehmen kann, trotzdem diese Geistesforschung durchaus begreift – das sollte hauptsächlich mit diesen Einwendungen gesagt sein, – dass sie gewissermassen allein auf sich selber angewiesen ist in einer, man möchte sagen, in der Hauptsache dreifachen Gegnerschaft, welcher sie sich gegenübersieht. Die eine Gegnerschaft erwächst ihr von der zeitgenössischen Wissenschaft oder wenigstens von derjenigen Wissenschaft, welche oftmals glaubt, auf dieser zeitgenössischen Wissenschaft widerspruchlos aufgebaut zu sein; die zweite Gegnerschaft erwächst ihr aus mancherlei religiösen Bekenntnissen, und die dritte erwächst ihr aus dem gewöhnlichen Bewußtsein des Tages, das sich ja instinktiv in vieler Beziehung gegen das auflehnt, was Geisteswissenschaft, Geistesforschung zu sagen hat.
Es könnte leicht scheinen, als ob so ohne weiteres die Frage berechtigt wäre: wie beweist also die Geistesforschung gegen die gemachten Einwände ihre Behauptungen? Wie beweist sie das, was sie zu sagen hat? Wir werden im Verlaufe dieser Wintervorträge manches über den Inhalt dieser Geistesforschung, über wirkliche Resultate der Forschung über eine übersinnliche Welt zu hören haben. In diesen beiden ersten Vorträgen muß mir schon gestattet sein, in der Art zu sprechen, wie es vielleicht mancher abstrakt – obwohl es nicht abstrakt gemeint ist – schwer verständlich oder uninteressant findet. Denn wenn auch vielleicht nicht mit allem Einzelnen meiner Ausführungen im ersten und zweiten Vortrage mitgegangen werden kann, so kann trotzdem wohl das Gefühl gewonnen werden, daß ein wahrhaft guter Untergrund für diese Geistesforschung gesucht wird. Daher darf vielleicht heute manche Frage aufgeworfen werden, welche derjenige uninteressant findet, den es mehr interessieren würde, gleich diese oder jene Erzählungen aus der übersinnlichen Welt entgegenzunehmen.
Die Frage darf aufgeworfen werden: Ist denn überhaupt auf die Begründung einer Weltanschauung das in dem vielfach geglaubten Sinne anzuwenden, was man so gewöhnlich Beweise nennt? Kann man Beweise als etwas ansehen, was, wenn es vorhanden ist, den Zwang für die Überzeugung eines jeden Menschen in sich schließt?
Jeder, der sich zu irgend einer Weltanschauung im Ernste bekennt, glaubt gewöhnlich, er könne sie beweisen; und er wird für diese Weltanschauung ganz gewiss, wenn er ernst genommen sein will, seine Beweise anführen. Gegenüber diesem so vielfach verbreiteten Glauben möchte ich zunächst ein Wort eines energischen, tatkräftigen deutschen Philosophen anführen, das Wort Johann Gottlieb Fichtes, der sagt: „Was man für eine Philosophie hat, das hängt davon ab, was für ein Mensch man ist.“ Wenn man auf den Grund eines solchen Wortes kommen will, wie es Fichte hier ausgesprochen hat, wenn man mit anderen Worten fragen will, was er gemeint hat, so muß man sich sagen: Es kommt nicht bloß auf Beweise an, sondern darauf, welche Beweise man für maßgebend hält, welche Beweise für einen Menschen nach seiner Seelenentwicklung das Gewicht haben, um Einsicht gewinnen zu wollen in dieses oder jenes. So werden wir selbst von einem Philosophen wie Fichte auf das menschliche Innere gewiesen, wenn es sich um die Bewertung von Beweisen handeln soll. Es wird gleichsam verlangt, daß der Mensch durch seine Seelenentwicklung sich die Fähigkeit erworben habe, um das Gewicht von Beweisen einsehen zu können. Trivial gesprochen, möchte ich sagen: Was nutzen alle Beweise schließlich demjenigen, der an diese Beweise nicht glauben kann? Und wie es sich um die so genannten Beweise verhält, das können wir vielfach gerade aus der Methodik mancher Weltanschauungen studieren, die scheinbar ganz auf dem festen Untergrunde naturwissenschaftlicher Tatsachen aufgebaut sind.
Wenn ich so etwas sage, wie ich es jetzt sagen will, so muß ich allerdings immer wieder vorausschicken: ich glaube nicht, daß irgend jemand für die naturwissenschaftlichen Fortschritte in unserer Zeit mehr Achtung und Anerkennung haben kann als der echte Geistesforscher. Und heute möchte ich noch insbesondere das vorausschicken: daß alle die Einwendungen, die heute vor acht Tagen gemacht worden sind, durchaus so gemeint sind, daß sie insofern berechtigt sind, als die unmittelbaren Einwendungen des Geistesforschers gegen das vor acht Tagen Gesagte unberechtigt wären. Denn der Geistesforscher leugnet dasjenige nicht, was die naturwissenschaftliche Forschung behauptet, mit Recht behauptet; er erkennt es voll an. Diese Tatsache muß man auch ins Auge fassen. Die Geistesforschung wird fortwährend von der Naturwissenschaft bekämpft; dagegen die Geistesforschung selbst bekämpft ihrerseits die Naturwissenschaft gar nicht, wenn man die richtige Sachlage zu würdigen in der Lage ist. Aber es gibt viele naturwissenschaftliche Tatsachen, die von gewissen Weltanschauungströmungen heute so verwertet werden, so scheinbar in ein gewisses Licht gesetzt werden, daß man mit den Tatsachen völlig einverstanden sein kann, nicht aber mit der Art, wie manchmal gewisse Weltanschauungen auf Grund dieser Tatsachen. etwas beweisen wollen. Die Tatsachen, die sich aus der Naturwissenschaft ergeben, werden zumeist von der Geistesforschung erst recht bekräftigt; und es darf gesagt werden, die Zeit werde kommen, in welcher dasjenige, was am Darwinismus und an der modernen Entwicklungslehre berechtigt ist, gerade durch die Geistesforschung die richtige Würdigung finden wird. So kann auch insbesondere durch die Geistesforschung klar sein, daß die Seele des Menschen, indem sie sich in der äußeren physischen Welt wirksam erweisen soll, sich zu gewissen geistigen Verrichtungen gewisser Teile, gewisser Partien des Gehirnes bedienen muß, wie man sich zu anderen Verrichtungen der Hand bedienen muss. Wie die Hand gewissen Verrichtungen des Menschen zugeteilt ist, so sind gewisse Partien des Gehirnes als Werkzeuge dem seelischen Erleben zugeteilt. Gerade durch die Geistesforschung wird der richtige Sinn, die richtige Bedeutung dieser Zuteilung ins Auge gefasst werden können; und mit dem, was die Naturwissenschaft in dieser Beziehung heute vielfach vertritt, steht die Geistesforschung nicht im geringsten in Widerspruch. Dagegen sind die so genannten Beweise, die angeführt werden, vor demjenigen, welcher Beweiskraft versteht, oftmals recht sehr brüchig; so z. B. wenn für die wahren Tatsachen, daß zum seelischen Leben in bestimmten Partien gewisse Teile des Gehirns hinzugehören, immer wieder und wieder angeführt wird, es werde z. B. durch die Erkrankung dieser Gehirnteile die betreffende seelische Tätigkeit ausgeschaltet, und man kann daher nicht wahrnehmen, daß die Seele gewisse Verrichtungen wie z. B. die Sprache zuwege bringt; so daß also das Sprachzentrum ausgeschaltet wird.
Es sind solche Beweise für den, der Beweiskraft versteht, wirklich mit dem Einwande des berühmten, wenn auch nicht existierenden Professors Schlaucherl getroffen, der ja, wie vielleicht einigen von Ihnen bekannt sein wird, den Beweis führen wollte, wie der Frosch empfindet. Dazu setzte er einen Frosch auf den Experimentiertisch und klopfte auf den Tisch, und siehe da, der Frosch sprang fort: also hatte er es gehört. Jetzt riß er ihm die Beine aus und klopfte wieder auf den Tisch; jetzt sprang der Frosch nicht fort, weil ihm ja die Beine ausgerissen waren. Aber daraus, daß er jetzt nicht mehr fortspringen konnte, folgert der Professor Schlaucherl, daß der Frosch mit den Beinen hört; denn wenn er keine Beine hat, zeigt sich an nichts, daß er hören kann. – Man muß, wenn man eine solche Sache vorbringt, selbstverständlich um Entschuldigung bitten. Aber sie ist logisch, methodisch durchaus zusammentreffend, was vielfach heute zu Beweiszwecken an Tatsachen angeführt wird, die nicht im geringsten durch die Geisteswissenschaft bezweifelt werden sollen, die sogar wahr sind; aber die angeführten Beweise werden niemals denjenigen wirklich überzeugen können, der beweiskräftiges menschliches Aussagen zu beurteilen vermag.
So ist es mit vielem von dem, was gerade im vorhergehenden Vortrag angeführt worden ist: wie es ein gewichtiger Einwand sei, der im wissenschaftlichen Sinne gerade von ernsten und würdigen Forschern der Naturwissenschaft der Gegenwart gemacht werden kann, daß man sagt: Da haben sich die Menschen in vergangenen Zeiten die Lebenskraft ausgedacht und alles, was Vorgänge im lebendigen Leibe sind, aus dieser Lebenskraft heraus zu erklären versucht. Aber das neunzehnte Jahrhundert hat gezeigt, daß man diese Lebenskraft zu nichts brauchen kann, und daß man, wenn man nur die gewöhnlichen Kräfte in gewissen Stoffen voraussetzt, zeigen kann, sobald man laboratoriummäßig vorgeht, wie gewisse zusammengesetzte Stoffe, von denen man früher geglaubt hat, daß sie nur im lebendigen Organismus durch die Lebenskraftzustande kommen können, im Laboratorium ohne diese Lebenskraft dargestellt werden können; so daß daher das Ideal der Wissenschaft darin bestehen muß vorauszusetzen, daß es einmal gelingen werde, auch kompliziertere Substanzen des Lebendigen auf diese Weise wirklich herzustellen. Nun kommen die Geistesforscher und behaupten, daß es im lebendigen Organismus einen besonderen Lebensleib oder Ätherleib gebe, der notwendig ist, damit die lebendigen Erscheinungen zustande kommen; das sei aber nichts anderes als eine Aufwärmung der alten Lebenskraft, das könnte also nur von dilettantischen Seelen herkommen, die in bequemer Weise ein Erklärungsprinzip dort suchen, wo sie wegen ihrer Unkenntnis nicht mit den Fortschritten der wahren Wissenschaft zu rechnen wissen. – Und ich möchte zuerst durch eine arthistorischen Zeugnisses erklären, wie diese ganze Schlussfolgerung auf eine Seele wirkt, die nicht, voreingenommen durch die – wieder sei es gesagt – berechtigten Fortschritte der Wissenschaft, sich so ohne weiteres ihren Schlussfolgerungen hingibt; ich möchte es zunächst durch etwas Historisches zeigen.
Man glaubt, die Annahme eines Ätherleibes oder Lebensleibes aus dem Felde geschlagen zu haben, indem man sagt: Es muß als ein Ideal der Wissenschaft gelten, einmal die lebendige Substanz aus ihren einzelnen Stoffen laboratoriummäßig zusammenzusetzen; daher könnte man nicht mehr an eine Begründung des Lebens durch etwas Übersinnliches glauben, sondern man müsse es als eine Wirkung im rein Stofflichen ansehen, wenn man im Laboratorium arbeitet und die zusammengesetzten Substanzen aus den einfachen zusammenfügt. – Es gab eine Zeit, in welcher man wahrhaftig mehr, als ein heutiger ernster Wissenschaftler wagen wird, daran glaubte, daß man laboratoriummäßig nicht nur eine einzelne lebendige Substanz, sondern auch unterste Lebewesen, ja sogar einen kleinen Menschen – den bekannten Homunkulus – zusammensetzen könnte.*) Und die Zeit, in der man fest
*) Vergleiche Geisteswissenschaft als Forderung unserer Zeit“: Homunkulus (XI). |
glaubte, daß man laboratoriummäßig den Homunkulus erzeugen könnte, nahm diesen Glauben durchaus nicht so auf, als ob damit das Übersinnliche der Lebenserscheinungen aus der Welt geschafft wäre; sie glaubte gerade erst recht an das Übersinnliche der Lebenserscheinungen. Das ist ein historischer Einwand gegen die Behauptung, es sei für das menschliche Denken unverträglich, an den übersinnlichen Ursprung des Lebens zu glauben und zugleich mit dem Naturforscher voll die Ansicht zu vertreten, daß das Lebendige im Laboratorium dargestellt werden könnte. Die beiden Dinge sind eben verträglich, und daß sie verträglich sind, dazu muß man vielleicht wieder eine recht triviale Gedankenverbindung ins Feld führen, die aber deshalb nicht minder bedeutsam ist für denjenigen, der sich nicht nur nicht etwas durch eine naturwissenschaftliche Weltanschauung hypnotisieren oder suggerieren läßt, sondern der auf das ganze Gefüge des menschlichen Seelenlebens einzugehen vermag.
Da sehen wir, wie vor uns gewisse Stoffe sind. Wir fügen sie zusammen. Wir sehen – wir nehmen das hypothetisch an – wie daraus lebendige Substanz entsteht. Sind wir deshalb berechtigt, daraus den Schluß zu ziehen, daß aus dem, was wir vor uns an den einzelnen Stoffen gesehen haben, das Leben dieser Substanz sich wirklich gebildet hat? Nein das sind wir nicht. Und wir sind es von dem Momente an nicht mehr, da wir zugeben, daß sich an den Nahrungsresten, welche sich in einem Zimmer befinden, die Fliegen nicht heran entwickelt haben, die sich nach einer gewissen Zeit einstellen. Wenn wir ein Zimmer voll Fliegen sehen, so können wir sagen, diese Fliegen sind deshalb da, weil in dem Zimmer Unordnung herrscht und Nahrungsreste geblieben sind. Diese Nahrungsreste waren die Bedingung, aber sie haben die Fliegen nicht gemacht. Es stellt sich aber die Anwesenheit der Fliegen immer ein, wenn die Bedingungen da sind. Und wenn die Bedingungen da sind, dann wird sich das Leben einstellen. Aber niemand darf behaupten, daß es daraus hervorgegangen ist, sondern nur, daß er der Veranlasser gewesen ist, daß das Leben sich eingestellt hat. Ein übersinnlicher Vorgang darf auch dann angenommen werden, wenn laboratoriummäßig die Dinge zusammenpassen, Daher wäre es von Seiten der Geistesforschung ganz falsch, wenn sie sich darauf begründen wollte, daß sie sich in mehr oder weniger ironischer oder geistvoller Weise über das erheben wollte, was die Naturwissenschaft als ihr Ideal anstrebt. Mit dem geht sie durchaus mit; damit ist sie völlig einverstanden. Aber das räumt nicht das aus dem Wege, was die Geistesforschung zum wirklichen, völligen Begreifen der Dinge beiträgt.
Nehmen wir als ein anderes Beispiel den im ersten Vortrage gegen die Geistesforschung gemachten Einwand, insofern diese die Erscheinungen des Schlafens und Wachens dadurch erklärt, daß sie sagt, es sei im Menschen ein Übersinnliches, das sich mit dem Einschlafen des Menschen aus dem physischen Leibe und Ätherleibe heraus erhebt, in eine besondere geistige Welt geht und beim Aufwachen wieder in sie untertaucht. Wir haben den gewichtigen Einwand erwähnt, der durchaus schlagend ist, daß die Naturforschung das Phänomen des Schlafes dadurch zu erklären versucht, daß sie eine Art Selbststeuerung des Organismus vorführt, daß sie zeigt, wie die Reize, die durch die Eindrücke des Tageslebens ausgeübt werden, die organische Substanz gewissermaßen zerstören, verbrauchen; so daß dadurch ein Punkt eintritt, wo diese organische Substanz – die Lebenssubstanz – wieder hergestellt werden muß. Während sie wieder hergestellt wird, ist Dumpfheit über das Bewusstsein ausgebreitet, und ist die Wiederherstellung vollendet, dann können die äußeren Reize wieder wirken. So hätten wir es mit einer Selbststeuerung des Organismus zu tun und könnten sagen: Was braucht es da noch einer besonderen Geistesforschung, die sich in einer besonderen Beschreibung dessen ergeht, was während des Schlafes aus dem Menschen herausgehen soll, um in einer anderen Welt dann zu sein, – wenn die Erscheinung des Schlafes aus dem menschlichen Leibe selbst erklärt werden kann ? – Welches Gewicht der durchaus in gewissen Grenzen wahren naturwissenschaftlichen Darstellung beizumessen ist, ergibt sich durch folgende Betrachtung. – Mögen die einzelnen Dinge, die ich vorbringe, auch nur skizzenhaft angeführt werden können: sie stimmen, wenn auch nicht in allen Einzelheiten, so doch zu dem ganzen Geiste der heutigen naturwissenschaftlichen Forschung.
Was geschieht denn, wenn der Organismus im Schlafe vor uns liegt, auch durchaus nach naturwissenschaftlicher Anschauung? Wir müssen nach naturwissenschaftlicher Anschauung sagen : da werden gleichsam die durch die Eindrücke der Sinne und durch die anderen äußeren Eindrücke verbrauchten organischen Substanzen ausgebessert. Da geschieht also ein innerer Prozeß, ein Prozeß, der völlig durch die Natur und das Wesen des menschlichen Leibes, des menschlichen Organismus bedingt ist; und wir können dasjenige, was so innerlich geschieht, selbstverständlich nur aus dem erklären, was eben in den Gesetzen des menschlichen Leibes, in den Gesetzen des Organismus liegt. Diese Geseke des Organismus können uns aber niemals, in keiner Gegenwart und in keiner Zukunft, etwas anderes geben – das muß jeder, der die Sache gründlich durchschaut, anerkennen, – als was uns etwa die Lunge für den Atmungsprozess gibt. Wer den menschlichen Atmungsprozess durchforscht, wird ihn vollständig verstehen können aus den Gesetzen des Lungenlebens; was aber der Mensch nicht wird verstehen können, das ist die Natur und das Wirken des Sauerstoffes. Der wird außerhalb der Lunge zu erforschen sein; der muß erst von außen in die Lunge hineinkommen; und wer glaubte, durch die Erforschung der Lunge die Natur des Sauerstoffes kennen zu lernen, der würde sich gewaltig irren. Der Lungenvorgang, alles was im Organismus geschieht, ist aus dem Inneren des Lungenlebens zu erfahren. Um die ganze Atmung zu verstehen, ist notwendig, daß wir aus dem Lungenleben herausgehen und die Natur des Sauerstoffes draußen für sich verstehen; und nichts gewinnen wir an Erkenntnis über die Natur des Sauerstoffes aus dem Prozesse des Lungenlebens. – Ebenso wenig gewinnen wir, wenn wir untersuchen, was im Organismus während des Schlafes vorgeht, als Erkenntnis für alles dasjenige, was sich im wachen Bewusstsein vom Morgen bis zum Abend abspielt, indem Triebe, Leidenschaften, Affekte, Ideale usw. auf- und abwogen. Und so wenig das Lungenleben einerlei mit der Natur des Sauerstoffes ist, so gewiss der Sauerstoff in die Lunge von außen hereinkommen muss, so gewiss ist es, daß alles, was in den Bewusstseinserscheinungen beschlossen ist, sich mit dem vereinigen muß, von außen in es hereinkommen muß, was wir innerlich während des Schlafprozesses als innere leibliche Vorgänge studieren und beobachten können. Einen solchen Gedankengang wird man allerdings nicht sofort ganz durchschauen können. Er ist aber, wenn Sie ihn verfolgen, nicht etwa eine bloße Analogie, er ist mehr als das; er ist eine Art Erziehungsmittel, um die Dinge, die uns bei der charakterisierten Erscheinung im Leben entgegentreten, wirklich richtig zusammen zu betrachten. Und wer sich wirklich aufklärt über das Verhältnis des Sauerstoffes, der außen ist und in die Lunge hineingeht, zu dem, was in der Lunge geschieht, der lernt an einem solchen Begriffe, an einer solchen Idee erkennen, wie er über das zu denken hat, was während des Schlafes außerhalb des physischen Organismus ist und zu den Vorgängen, die im physischen Organismus während des Schlafes vor sich gehen, ebenso hinzukommen muß, wenn Bewußtsein sich erleben soll, wie der Sauerstoff zu den inneren organischen Vorgängen der Lunge hinzukommen muß, wenn ein Atmungsvorgang wirklich lebendig eintreten soll.
Die Dinge, die man nennen kann ein „Begründen der Geisteswissenschaft“, sind eben durchaus nicht so einfach als man oftmals glaubt. Weil sie das nicht sind, deshalb sieht es oft so aus, als ob - sie sich durch leichtgeschürzte Widerlegungen aus der Welt schaffen ließen. Es handelt sich wirklich bei der Anerkennung von Gründen und Gegengründen auf diesem Gebiete im Fichte´schen Sinne darum, was für ein Mensch man ist, d. h. welche Seelenverfassung man mitbringt, um die Dinge in ihrem richtigen Lichte zu sehen. Wie oft hört man sagen: Ach, da kommen diese Geistesforscher oder Theosophen und sagen: der Mensch, den man doch als einen einheitlichen wahrnimmt, und für den wir uns die Anschauung errungen haben, daß er ein einheitlicher ist, zerfalle in verschiedene Glieder oder Teile – in einen physischen Leib, einen Ätherleib oder Lebensleib, einen astralischen Leib und ein Ich. Ja, so einteilen kann man ja alles. – Aber nicht darum handelt es sich, daß man überhaupt einteilt, sondern darum, dass man nach den berechtigten Anforderungen eines wirklich in die Dinge eindringenden Denkens solche Forschungsmethoden vollzieht. Wenn jemand Wasser vor sich hat, dann wird er dem Chemiker nicht unrecht geben, der ihm sagt: Du kannst, solange du dies „Wasser“ sein läßt, niemals darauf kommen, welches die chemischen Bestandteile dieses Wassers sind; dazu musst du es zerlegen in Wasserstoff und Sauerstoff. – Solange man auf einem solchen konkreten Gebiete bleibt, wird man vielleicht den Einwand nicht hören: Du begehst eine Todsünde wider den Monismus, denn das Wasser ist ein Monon; du darfst es nicht zerteilen in Wasserstoff und Sauerstoff, sonst wirst du ein ganz abergläubischer Dualist. – Auf einem solchen konkreten Gebiete wird man vielleicht einen solchen Einwand nicht hören, weil hier die Notwendigkeit zu sehr in die Augen springt, eine solche Zerteilung vorzunehmen. Was ist denn ein Hauptkennzeichen für die Berechtigung einer solchen Zerteilung, wenn man nicht bloß das Wasser ins Auge faßt, sondern wenn man das ganze hier in Frage kommende Seinsgebiet berücksichtigt? Das Wesentliche ist, daß der Sauerstoff nicht bloß im Wasser sein kann, sondern – wie ihn der Chemiker meint – auch in anderen Substanzen, mit denen er sich ganz verbinden kann, und daß ebenso der Wasserstoff sich mit anderen Substanzen verbinden kann; so daß man also Wasser zerteilen kann, und die einzelnen Teile können ganz andere Verbindungen eingehen und haben in diesen Verbindungen wieder ihre besonderen Schicksale. – Wenn es bei der Geistesforschung nur darum zu tun wäre, in dem zu unterscheiden, was sich als Mensch darlebt, sagen wir den Ätherleib und- den physischen Leib, um das andere nicht zu erwähnen, so könnte man sagen: da machst du eben eine Einteilung. Aber verfolgen Sie einmal die Geistesforschung (es kann heute nicht alles angeführt werden), – da geht es gerade so zu wie z. B. in der Chemie. Nicht deshalb zergliedern wir den Menschen in einen physischen Leib und in einen Ätherleib, weil uns das in bezug auf diesen Menschen so bequem ist, die Erscheinungsarten in dieser Weise auseinander zu schälen; sondern weil wir in der Tat zu zeigen haben: ebenso wie Wasserstoff und Sauerstoff, wenn sie von ihrem Wasser-Sein getrennt werden, in den verschiedenen Substanzen verschiedene Schicksale durchmachen, so macht der physische Leib im Tode seine besonderen Schicksale durch, wie der Ätherleib auch, – und auch der astralische Leib geht andere Verbindungen ein. Wie der Chemiker das Wasser verfolgt, wenn er es nicht ein Monon sein läßt, sondern es als die Dualität von Wasserstoff und Sauerstoff auffasst; wie er zeigt, daß der Wasserstoff ganz andere Wege nehmen kann als der Sauerstoff, so verfolgt der Geistesforscher die Wege des physischen Leibes, des Ätherleibes oder Lebensleibes, des Astralleibes und des Ich in den verschiedensten Gebieten des Lebens. Das gibt ihm die Berechtigung, von einer realen Teilung zu sprechen. Ein Einwand, daß er damit gegen den Monismus verstoßen würde, wäre ganz gleichbedeutend damit, daß derjenige gegen den Monismus verstößt, der Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zerlegt.
Es handelt sich also darum, daß der Mensch durch die wirkliche Einsicht in die Tatbestände den Wert, die Berechtigung der Einwände und auch die Grenzen der Einwände versteht. Der wahren, echten, ernsten Geisteswissenschaft wird man es ansehen, wenn man auf sie eingeht, daß sie nicht leichtherzig über die Einwände weggeht, sondern daß sie gerade dadurch zu ihren Resultaten die Begriffe zu finden versucht, daß sie das Für und Wider wohl erwägt. Wenn nun aber schon wiederholt heute hingewiesen worden ist auf den Fichte´schen Ausspruch: man hat eine solche Philosophie, wie sie sich ergibt, je nachdem man als Mensch geartet ist.. . so könnte man auch das sagen, was auch schon vor acht Tagen gesagt worden ist: da wird ja gerade alles zurückgeführt auf ein inneres Subjektives, da wird die Überzeugungskraft nicht in dem gesucht, was äußerlich gegeben wird, sondern in der Art und Weise, wie sich der Mensch zu den Erscheinungen der Welt verhalten könnte. Da kommen wir dann auf die Besprechung dessen, worauf im ersten Vortrage hingewiesen worden ist: auf die Quellen der geisteswissenschaftlichen Erkenntnisse. Es wurde gesagt, daß diese Quellen sich durch eine Entwicklung der menschlichen Seele ergeben. Wie diese Entwicklung vor sich geht, welche Wege die Seele zu durchwandern hat, damit sie wirklich zu Erkenntnissen und Anschauungen der übersinnlichen Welt hinaufsteigt, darüber werden wir noch sprechen. Heute soll nur gesagt werden, daß die Seele innere Vorgänge durchzumachen hat, z. B. was man bezeichnet als Meditation, als Konzentration des inneren Lebens. Was wird durch solche Vorgänge bewirkt?
Wenn derjenige, der wirklich ein Geistesforscher werden will, seine Seele sozusagen zum Apparat für die Geistesforschung machen will, so muß er eben künstlich einen ähnlichen Zustand bei sich herstellen, wie es sonst der Schlafzustand ist; d. h. er muß künstlich durch scharfe Willenskonzentration in der Lage sein, das herbeizuführen, was sich sonst nur durch die Ermüdung als Schlafzustand einstellt: er muß alle äußeren Sinneseindrücke ausschließen können, muß auch alles an das Gehirn gebundene Denken unterdrücken können – und dennoch muß er jenen Zustand vermeiden, der sonst im Schlafe eintritt: die völlige Leerheit des Bewußtseins. Das vermeidet er dadurch, daß er sich ganz bestimmten Vorstellungen (wir werden sie später noch charakterisieren) hingibt, die geeignet sind, seine Seelenkräfte zu konzentrieren, zusammenzuziehen, so daß sie stärker werden als sie sonst sind. Während sie sonst gleichsam dünn sind und daher, wenn sie während des Schlafes aus dem physischen Leibe herausgehen, nichts von sich und der Welt wissen können, ihre innere Wahrnehmungskraft also zu schwach ist, werden sie durch solche Meditationen und Konzentrationen in sich erstarkt, verdichtet. Der Mensch zieht sich dann aus dem gewöhnlichen Denken nicht so heraus, daß er nichts von sich weiß, wie es beim gewöhnlichen Schlafe der Fall ist, sondern so, daß er sich bewußt zu halten vermag und durch die Eigenart dieses Zustandes erfährt: Jetzt hörst du nichts durch die Ohren, siehst nichts mehr durch die Augen, denkst nicht mehr durch das an das Gehirn gebundene Denken – sondern jetzt erlebst du dich im rein Geistigen und hast eine Realität im rein Geistigen.
Gesagt ist, daß ein gewöhnlicher und wiederum berechtigter Einwand gegen eine solche Behauptung der Geistesforschung der ist, daß man sagt: Da kann man durch eine solche Seelenentwicklung z. B. zu inneren Vorstellungswelten kommen, die man als einen Ausdruck einer übersinnlichen Welt ansieht; man kann auch durch die Art, wie sich diese Vorstellungsarten ergeben, die Meinung haben, sie wiesen auf etwas Reales hin. Aber man wisse doch – so kann gesagt werden – daß der, welcher Halluzinationen, Wahn-Ideen, Visionen hat, auch mit aller Kraft an diese Halluzinationen usw. glaubt, und es sei daher ganz unmöglich, in Wahrheit eine Unterscheidung zu finden zwischen den Halluzinationen, Wahn-Ideen usw. – und dem, was sich so beim Geistesforscher einstellt. Warum sollte man das, wozu der Geistesforscher auf diese Weise kommt, nicht auch – zwar als eine raffiniertere, aber doch als eine bloße Halluzination ansehen?- abgesehen davon, daß man sagen kann: Was so im Innern erlebt werde, sei nur subjektiv und könne nicht von einem anderen zu jeder Zeit kontrolliert werden, wie dies z. B. beim physikalischen Experiment der Fall ist.
Nun muß aber darauf hingewiesen werden, daß es durchaus nicht im Charakter aller Wahrheiten liegt, daß sie durch äußere Veranstaltungen gefunden oder auch nur bekräftigt werden können. Man kann sagen, es könnten für jeden, der nur denken will, die Vorstellungen der Mathematik im äußersten Sinne dafür überzeugend sein; denn sie werden im Innern gewonnen. Wir brauchen, um das einzusehen, nicht auf höhere, sondern nur auf die gewöhnliche Vorstellung: drei mal drei ist neun, hinzuweisen. Um das einzusehen, braucht es nur eines inneren Vorstellens der Seele, und es ist nichts weiter als eine Versinnlichung, wenn sich jemand z. B. durch drei mal drei Erbsen veranschaulicht, daß drei mal drei neun ist. Es hängt von der inneren Seelenentwicklung ab, wenn jemand die Erkenntnis hat, daß drei mal drei neun ist, und er braucht sie sich durch einen äußeren Vorgang nicht erst zu bekräftigen; er weiß, was er erlebt hat, er weiß es ohne jede äußere Kontrolle.
Es gibt also ein inneres Seelenarbeiten, für welches äußere Kontrolle nichts weiter als Veranschaulichung ist, die sich in dem Veranschaulichten erschöpft, und dem man es ansieht, daß dieses innerlich Durchzumachende wahr ist. – In einer ganz ähnlichen Weise, nur auf höherer Stufe, wird der Unterschied erlebt zwischen Irrtum und Wahrheit der übersinnlichen Welt. Der Geistesforscher muß alle die Dinge durchmachen wollen, die ihn zur Erkenntnis führen können: wo hören Halluzinationen, Visionen und, Illusionen auf, und wo beginnt die übersinnliche Realität? Wo das eine aufhört und das andere beginnt, das kann nur auf eine ähnliche Weise eingesehen werden, wie die mathematischen Wahrheiten eingesehen werden können. Aber es kann eingesehen werden. Wer ein wirklicher Geistesforscher ist und die Natur, die wirklich zur Geistesforschung hin führt, kennt, der wird ohnedies nicht die Welt mit seinen Visionen unterhalten; und wenn sie jemanden finden, der die Menschen über die übersinnliche Welt dadurch unterhält, daß er von seinen Visionen mitteilt, so können Sie immer voraussetzen, daß er von einem wahren Geistesforscher sehr weit entfernt ist. Denn der wahre Geistesforscher weiß, daß alles imaginäre, visionäre Leben, das man in der äußeren Welt kennt, nichts als eine Vorstellung des eigenen Seelenlebens ist, daß es nichts anderes darstellt als ein Hinausprojizieren der eigenen Seele in den eigenen Raum. Und nicht in diesem Raum, nicht in dem, was man eigentlich meint, wenn man von dem Vorstellen des Geistesforschers als ein Nichtkenner spricht, liegt das, was seine Wissenschaft begründet, sondern in demjenigen, was erst hinter diesem Vermeintlichen liegt, nachdem er ganz den Vorgang durchgemacht hat, wie sich das Seelenleben verobjektiviert, und wie dann die Wand durchbrochen wird, welche sich zuerst als eine Widerspiegelung unserer inneren Seelenvorgänge aufrichtet. Gerade das ist für den Geistesforscher wichtig, daß er das Wesen der Halluzinationen, der Visionen und Illusionen in ihrem Zusammenhange mit dem inneren seelischen Leben erkannt hat und sich lange genug sagen kann: was so erscheint, ist nicht als das objektiv Maßgebende, sondern rein als innere Seelenvorgänge aufzufassen. Und es gehört nicht so sehr zu den Anforderungen einer wirklichen geisteswissenschaftlichen Schulung, durch gewisse Verrichtungen – die man in dem Buche „Wie erlangt man Erkenntnisse der höheren Welten?“ nachlesen kann – die Seele dazu zu bringen, daß sie frei vom Leibe Erlebnisse hat, daß sie aus dem Leibe heraustritt; sondern wichtiger ist es, daß die Seele über diese Erlebnisse außerhalb des physischen Leibes, im rein Geistigen, ein richtiges Urteil gewinnt. Von einem gewissen Punkt ab weiß die Seele durch das, was sie erlebt, daß sie nicht mehr subjektive Vorgänge erlebt, sondern dass sie ihre Subjektivität abgestreift hat und in ein Objektives hineinkommt, das für jeden objektiv ist, wie das Mathematische objektiv ist, trotzdem man seine Beweiskraft nur im Innern erleben kann. Der Fehler, den die Menschen machen, die an ihre Illusionen glauben, besteht darin, daß sie nicht lange genug die Widerstandskraft gegen die illusionäre Welt aufrecht erhalten können, daß zu früh der Glaube eintritt an das, was sie erleben, daß sie sich von ihren Erlebnissen nicht lange genug sagen: das erscheint zunächst nur als eine Widerspiegelung von dir selbst, und erst wenn du alles Subjektive von dir abgestreift hast, wie du es bei der Mathematik machen mußt, trittst du in die Sphäre der objektiven Wirklichkeit ein.
So entfällt auch der Einwand, daß man es bei den geistesforscherischen Erlebnissen mit etwas Subjektivem zu tun hat; man hat es ebensowenig mit etwas Subjektivem zu tun, wie man es bei mathematischen Wahrheiten damit zu tun hat. Wenn Geisteswissenschaft mitgeteilt wird, so handelt es sich nicht eigentlich darum, Beweise zu liefern; wenn es sich darum handelt, so muß man vor allem das Wesen des Beweises verstehen. Wenn es niemals in der Welt vorgekommen wäre, daß jemand einen Walfisch gesehen hätte, so würde niemand beweisen können, daß es einen Walfisch gibt; aus allen Kenntnissen, die er hat, würde er nie das Dasein eines Walfisches beweisen können. Denn ein Walfisch ist eine Tatsache, und Tatsachen kann man nicht beweisen sondern man kann sie nur erleben. Damit ist etwas außerordentlich Gewichtiges über die Logik gesagt; aber man muß sich erst von diesem Gewichtigen überzeugen. Von diesem Gesichtspunkte aus handelt es sich bei den Mitteilungen der Geistesforschung auch nicht darum, daß man Beweise für die übersinnliche Welt oder z. B. für die Unsterblichkeit der Seele liefert, sondern um etwas ganz anderes. Davon werden sich diejenigen überzeugen, die eine längere Zeit den wahren Betrieb der Geistesforschung mitmachen. Nicht um ein logisches Spintisieren handelt es sich, sondern um ein Kennenlernen, um ein Mitteilen der übersinnlichen Tatsachen. Wenn der Geistesforscher durch die schon geschilderte Entwicklung der Seele in die Lage gekommen ist, daß er das Leben zwischen dem Tode und der neuen Geburt überblickt, so handelt es sich darum, daß er dann die Tatsachen, welche er für das Leben der Seele in der Zeit zwischen dem Tode und der nächsten Geburt anzuführen hat, mitteilt, daß er mitteilt, was er in der übersinnlichen Welt erlebt. Um Mitteilung von Erlebnissen, von Tatsachen, die er in seiner Seele durchwandert, handelt es sich. – Und von dem anderen darf man sagen: es ergibt sich an der Hand dieser Mitteilungen. Wenn gezeigt wird, wie die Seele in sich geschlossen bleibt, wenn die Teile des Leibes zerfallen, wie die Seele dann gewisse Vorgänge durchmacht, wie sie etwas in einer rein übersinnlichen Welt erlebt und die Kräfte zu einem neuen Leben sammelt, um in einem Leibe wieder ins physische Dasein zu treten, wenn das in allen Einzelheiten angegeben wird, so wird ja gezeigt, wie die Seele lebt, wenn sie durch die Pforte des Todes durch geschritten ist. Dann wird hingewiesen auf Tatsachen. Um ein solches Hinweisen auf Tatsachen, um eine solche Mitteilung von Tatsachen handelt es sich – und nicht um ein abstraktes Beweisen.
Nun könnte man sagen: dann hätte aber ein solches Kennenlernen von entsprechenden Tatsachen nur für den eine Bedeutung, der in die geistige Welt hineinschauen kann, der eine entwickelte Seele hat. 0, es sieht ein solcher Einwand außerordentlich überzeugend aus, und es soll dies auch gar nicht in Abrede gestellt werden. Wer aber das wirkliche Seelenleben kennt, der wird auch zu diesem Einwande ein ganz anderes Verhältnis gewinnen, als manche glauben. Da müssen wir die Frage aufwerfen: Werden wir denn in unserer Seele im normalen Leben überhaupt dadurch von etwas überzeugt, daß uns jemand abstrakte Beweise liefert? Nehmen wir ein Beispiel. Nehmen wir ein Bild – z. B. die Sixtinische Modanna. Irgend jemand, der keine Ahnung von dem hat, was in einem solchen Bilde liegt, trete vor dieses Bild hin; ein anderer stelle sich neben ihn und beginne ihm zu beweisen, was da drinnen liegt. Ja – der, welcher da zuhört, versteht gar nicht, wovon der andere redet; der kann lange „beweisen“, daß in diesem Bilde etwas Besonderes liegt; der Zuhörende kann an seine Beweise nicht glauben. Denn daß man Beweise herbeischafft, das ist noch nicht das Wesentliche; sondern das Wesentliche ist, daß der Zuhörer die Möglichkeit hat, an diese Beweise zu glauben. – Ein Anderer steht vor diesem Bilde; ein Zweiter tritt hinzu und spricht zu ihm, und der Zuhörende hat jetzt die Möglichkeit, so etwas wahrzunehmen, was durch das Bild ausgedrückt werden soll; dann regt durch das, was er erkannt hat, der Andere in ihm das an, wovon er glaubt, daß es in dem Bilde liegt. Der redet vielleicht gar nicht beweisend; er schildert nur, was in ihm wirkt, schildert nur das, was in ihm spricht; und hat der Zuhörende einmal in der Seele erfaßt, wovon der andere spricht, und sieht er sich dann das Bild an, dann sieht er das andere in dem Bilde, dann wirkt es so, daß er weiß: es ist in dem Bilde drinnen. Nicht auf eine abstrakte Beweiskraft kommt es an, sondern darauf, daß jemand an uns herantritt, der weiß, was in dem Bilde liegt, und daß wir wirklich das in uns aufnehmen können, was in dem Bilde liegt, wenn wir eine Anschauung von dem gewinnen wollen, was in ihm ist.
So ist es, wenn der Mensch der Welt und den menschlichen Erscheinungen gegenübertritt, und der Geistesforscher tritt zu ihm: würde der Geistesforscher mit abstrakten Beweisen kommen wollen, so würde der, welcher nicht in der Lage ist, in seiner Seele das nachzuerleben, was der Geistesforscher sagt, niemals durch einen Beweis überzeugt werden können. Der Geistesforscher aber macht es so wie jener Erklärer des Bildes, von dem ich zulegt gesprochen habe: er erklärt, was sich ihm in der Seele ergeben hat, die er erst zum Instrumente für die geistigen Wahrheiten gemacht hat, als im Hintergrunde des geistigen und menschlichen Lebens stehend. Er gibt die Tatsachen, die er erlebt hat. Und wenn nun der andere in der Lage ist, daß er diese Begriffe und Tatsachen in sein ganzes Seelenleben aufnehmen kann, so sieht er jetzt die Welt so, daß sich ihm durch das, was der Geistesforscher zu sagen hat, dieses als sein eigener Seeleninhalt ergibt.
Das kann natürlich nicht immer so sein. Wenn der Geistesforscher oder Geisteserfahrer dem Zuhörer mit ganz fernen Behauptungen kommt, die für ihn selbst vielleicht Erfahrungswahrheiten sind, wenn er ihm – und selbst wenn er noch so viel in der geistigen Welt erlebt hat – erzählt, was dort alles für Wesenheiten sind, und was sie tun, dann hat selbstverständlich der Zuhörende, wenn er es zum ersten Male hört, nicht die geringste innere Verpflichtung, das zu glauben, was er hört. Er wird es – und kann es nicht glauben. Warum kann er es nicht glauben? Weil der Abstand zwischen dem, was in der Seele erlebt wird, und dem, was ein solcher geistiger Seher in der Seele erlebt hat, zu groß ist. Ebenso unberechtigt wäre es, wenn jemand glaubte sagen zu können: in dreißig Jahren werde einmal ein neuer Weltheiland oder ein neuer Weltmessias kommen, auf den man warten könne, und der ganz besonders große Wahrheiten mitteilen werde. Eine solche Behauptung könnte jemand vor einem anderen, der nicht dazu vorbereitet wäre, nur dann tun, wenn er vor der menschlichen Seele und vor den Errungenschaften der menschlichen Kultur keinen Respekt hätte. Aber es gibt einen Weg, um alles dieses eben anders zu machen, indem man an das anknüpft, was wirklich jeder mit unbefangener Seele in einer gewissen Weise verfolgen kann. Daher muß es immer wieder gesagt werden, daß der Einwand unberechtigt sei: Geistesforschung gelte nur für den, welcher selber durch seine entwickelte Seele in die geistige Welt hineinkommen kann. Das ist nicht richtig. Die geistige Welt erforschen kann man nur, wenn man diese Seele zu einem Instrumente der Wahrnehmung in der geistigen Welt umbildet. Was man aber dort erlebt, das ist man gleichsam verpflichtet in solche Begriffe zu gießen, welche für jeden Menschen nach der betreffenden Zeitbildung bei unbefangener Seele verständlich sein können, wenn er sich nur eben unbefangen ihnen hingibt und nicht durch irgend etwas – z. B. durch eine vermeintliche oder falsche Gelehrsamkeit – sich dagegen sträubt. Daher kommt es vielmehr darauf an, wie die Tatsachen des hellsichtigen Bewußtseins irgend einem Zeitalter mitgeteilt werden, als daß solche Tatsachen mitgeteilt werden. Man kann es z. B. erleben, wenn irgend jemand eingeständlich nur ein Buch gelesen hat, daß er dann über Geistesforschung glaubt ein Urteil zu haben und berechtigt ist, sagen zu dürfen: diese Geistesforscher fangen immer an das Wort esoterisch zu gebrauchen, wenn ihnen Begriffe ausgehen. Vielleicht könnte es aber auch so sein, daß bei dem Betreffenden, der so etwas sagt, das Wort esoterisch immer die Folge hätte, daß er selber bei seinen Begriffen etwas wie eine Leere fühlt, so daß auf ihn selber das Wort esoterisch begriffsauslöschend wirkt. Also wenn sich jemand auf diese Weise dagegen sträubt und nicht das aufruft, was in seiner Seele ist, um die Ergebnisse der Geistesforschung auf sich wirken zu lassen, dann ist es selbstverständlich – das haben wir vor acht Tagen gesehen –, daß die allergründlichsten Einwände, gegen die Geistesforschung vorzubringen sind. Wenn sich aber die Seele unbefangen dem hingibt, was die Geistesforschung gibt, dann genügt der gesunde Menschenverstand, das gesunde unbefangene Denken, um mit zu erleben – nicht was der nicht geschulten Seele erlischt, wohl aber das, was von ihr verstanden werden kann. Denn wie verhält sich denn jede menschliche Seele zu der Seele des Geistesforschers, der über gewisse konkrete Tatsachen der übersinnlichen Welt ein Urteil hat, weil er sich in sie hinein begeben hat? Es verhält sich eine jede Seele zu der Seele des Geistesforschers wie ein Lebenskeim zu dem vollständig entwickelten Leben; und in derselben Weise, wie im Lebenskeime – z. B. im Ei – das vollständige Lebewesen schon enthalten ist, so ist in jeder Seele das vorhanden, was nur jemals der Geistesforscher dieser Seele sagen kann. Und wie auch schon im unentwickelten Lebenskeime gezeigt werden kann, wie daraus das Einzelne hervorgeht, so kann die einzelne Seele, welche die Ergebnisse der Geistesforschung mitgeteilt erhält, in sich keimhaft – aber mit vollständiger Überzeugungskraft Einsicht gewinnen in die geistigen Welten.
Daher ist es niemals begründet, wenn man dem, der sich nicht bloß auf seine intellektuelle Kraft des logischen Spieles, sondern auf seine ganze Seelenkraft verlässt, vorwirft, er müsse ein leichtgläubiger Mensch sein, sondern sich auf das einlasse, was der Geistesforscher zu sagen hat. Der Verstand allein wird es nicht einsehen können; die ganze Seele aber wird es hinnehmen können. Daher ist ein wirkliches Prüfen – nicht ein Hinnehmen auf Autorität – der Geistesforschung möglich, ist in jeder Zeit möglich gewesen und wird auch immer möglich sein.
Es ist wohl zu merken, daß ich den heutigen Vortrag nicht genannthabe „Wie beweist man Geistesforschung?“, sondern „Wie begründet man Geistesforschung?“, das heißt: woher holt man sie, und wie kann die menschliche Seele ein Verhältnis zu ihr gewinnen? Dieses Verhältnis wird für viele Menschen wahrhaftig schwer zu finden sein, aus dem Grunde, weil viele Einwände gegen diese Geistesforschung Gewicht zu haben scheinen. Wie sollte es denn nicht Gewicht haben – und hier komme ich wieder auf einen Punkt, wo ich wieder abstrakt, uninteressanter sprechen muß –, wenn jemand sagt: Der Geistesforscher behauptet, daß er in seinem übersinnlichen Bewusstsein die Seele bis in die Zeit hinter der Geburt oder der Empfängnis verfolgen kann, wie sie lebt zwischen dem Tode und der nächsten Geburt, und wie sie sich dann in das gegenwärtige Leben hereinlebt. Nun, man kann ja zeigen (so könnte jetzt eingewendet werden), wie gewisse Eigentümlichkeiten, welche die Seele während des Lebens ausbildet, in der Kindheit vorgebildet werden oder vor der Geburt im Leibe der Mutter vorgebildet werden 1 Und vielleicht ist unter den Einwänden gegen die Geistesforschung für viele nichts von solchem Gewicht, als gerade ein solcher Einwand. Die, welche öfter solche Vorträge gehört haben, werden wissen, wie ich selber solche Einwände auch mache, so z. B., daß in der Familie der Bach so und so viele größere und kleinere Musiker gelebt haben, so daß man mit einem gewissen Recht darauf hinweisen könnte, wie der Mensch rein in der physischen Vererbungslinie das empfängt, was ihn zum Musiker macht. So kann man darauf hinweisen, wie durch Vererbung oder durch Aneignung während des Lebens das an den Menschen herankommt, was er später als seine besonderen Eigentümlichkeiten und als seine Individualität zeigt. 0, es ist ein solcher Einwand, wenn man sich mit ihm beschäftigt, wenn man sich seiner suggestiven Kraft überläßt, sehr bedeutsam, und jeder Geistesforscher wird es verstehen, daß es Menschen gibt, welche von einem solchen Einwande nicht loskommen können, auf welche die Gewalt der Tatsachen, die man da anführen kann, außerordentlich stark wirkt.
Aber es gehört noch etwas anderes dazu, sich so einer Beweiskraft hinzugeben: nämlich einzusehen, daß Ursachen, richtige Ursachen vorhanden sein können – und dennoch nichts verursachen, dennoch nicht wirklich der Anlass sind, daß tatsächlich etwas entsteht. Ich sage etwas scheinbar sehr Paradoxes, und für den, welcher das Gewichtige der geisteswissenschaftlichen Tatsachen auf seine Seele wirken läßt, ist es gar nicht notwendig, sich darauf einzulassen; aber hier handelt es sich darum, gegenüber dem Zeitalter darauf einzugehen, um darauf aufmerksam zu machen, was vom philosophischen Gesichtspunkte aus zeigen kann, daß Ursachen da sein können und dennoch nichts verursachen. – Warum hat ein Huhn, wenn es entsteht, Federn, einen Schnabel oder diese oder jene Eigenschaft seines Leibes? Ganz gewiß kann jemand sagen: die hat es vererbt bekommen von dem Eltern-Huhn, und für die besondere Ausprägung des Schnabels usw. sind die vererbten Merkmale die Ursachen, die wir bei jedem Huhn finden, von welchem das betreffende abstammt. Aber nun muß man einsehen, daß noch etwas besonderes dazu gehört, wenn die Eigenschaften des Federn-habens, des einen-bestimmten-Schnabel-habens usw., die bei dem Mutterhuhn da sind, auch bei dem Tochterhuhn auftreten sollen: es kann etwas eine ganz richtige Ursache sein, aber es ist notwendig, dass ein bestimmter Keim unter bestimmten Dingen entsteht, damit die Ursachen „Ursachen“ werden können. Nicht darauf kommt es an, daß man von dem Folgenden auf die bestimmten Ursachen hinweist, sondern daß. man zeigt, inwiefern die Ursachen auch haben Ursachen werden können. Hier stehen wir an einem Punkt, wo die Geisteswissenschaft aus ihren eigenen Tatsachen heraus ein Verhältnis gewinnen kann z. B. zum Darwinismus. Niemand, der nicht ein vorwitziger, sondern ein ernster Geistesforscher ist, wird die Tatsachen und ernsten Ausführungen Darwins und der Darwinianer bestreiten; er wird sogar zustimmen, wenn Darwin fragt: Warum schmiegt sich das Kätzchen so an, wenn der Mensch in seine Nähe kommt? Da weist der Forscher darauf hin, dass es sich schon auf seinem Lager an die Mutter anschmiegt, und daraus sieht man, wie das Spätere mit dem Früheren zusammenhängt. Man kann auf die Ursachen hinweisen, wie ein Mensch diese oder jene Eigenschaft hat, die er vielleicht durch die Mutter erhalten hat, bevor er geboren worden ist. Man kann darauf hinweisen; man hat aber nichts darüber gesagt, inwiefern die Ursachen nun Ursachen geworden sind. Alles was von einer Weltanschauung gesagt werden kann, die scheinbar fest auf dem Boden der Naturwissenschaft gebaut ist, was erklärt werden kann durch vererbte Merkmale usw., das wird ja von der Geistesforschung ohne weiteres zugegeben; und wer von dorther Einwände holt, lebt gewöhnlich unter der Voraussetzung, daß sie nicht zugegeben werden. Sie werden zugegeben; aber der andere geht nicht darauf ein, daß Ursachen erst Ursachen werden müssen, so daß es sich also um etwas viel Tieferes handelt, als er im Auge hat. Das ist überhaupt heute der Fall, daß man dasjenige, was Geistesforschung aus der Tiefe des Seins herauszuschöpfen sich bemüht, immer nur nach der Oberfläche beurteilt, die man gerade selbst zu überschauen vermag. Wenn das nicht immer geschähe, dann könnte z. B. ein Feuilleton nicht zustande kommen wie jenes, welches am letzten Sonntage im „Berliner Tageblatt“ erschienen ist, das eingeständlich nur auf einem einzelnen Buche fußt. Ich möchte nur einmal fragen, was man einem Menschen sagen wird, der sich ein abschließendes Urteil z. B. über Chemie nur aus einem einzigen Buche gemacht hat? Aber so machen es unsere Zeitgenossen. Man darf sagen, die Geistesforschung hat noch gewichtige Gründe, in der Gegenwart sich erhärtet zu fühlen.
Für die, welche längere Zeit diese Vorträge angehört haben, darf ich wohl sagen, daß. hier vieles aus der philosophischen Entwicklung angeführt worden ist. Wer das kennt, wird vielleicht zu dem Urteil kommen: es haben viele Philosophen Beweise geliefert für die Unsterblichkeit der menschlichen Seele. Ich selbst muß gestehen, ich habe mich gegenüber dem, was von philosophischer Seite an Beweisen, für die Unsterblichkeit der Seele oder für eine übersinnliche Welt herbeigebracht wurde, nie recht behaglich gefühlt; denn was die Philosophen meist nur im Auge haben, sind immer nur die Begriffe der Dinge. So haben die Philosophen selbst vom menschlichen Ich nur den Begriff des Ich. Daß man aber aus dem Begriffe des Ich nichts Reales folgern kann, das sollte jedem ebenso klar sein, wie es klar ist, daß ein bloß gemalter Maler kein Bild malen kann; ebenso sollte man sich darüber klar sein, daß das Bild des Ich nichts für das Ich selbst sagt. Wer sich auf die Geisteswissenschaft einlässt, der wird sehen, daß die Überzeugung von der Realität des Ich durch etwas ganz anderes gewonnen wird, nämlich durch die ganze Art des Fortlebens des Ich nach dem Tode. Also an dem, was gutgläubige Philosophen nach dieser Richtung hin vorbringen, kann einem nicht behaglich werden; aber aus dem, was diejenigen vorbringen, welche als Gegner oft so recht gegen die Dinge wettern, gewinnt der, welcher die Dinge tiefer durchschaut, einen recht guten Beweis für die Natur des Ich. Denn es gibt ja Philosophen, welche sagen, sie könnten das Ich überhaupt nur als eine Zusammenfassung aller möglichen physiologischen usw. Tätigkeiten erfassen. Da sieht man dann, daß diese Forscher alles Mögliche anführen; nur kann sich das, was sie anführen, nicht auf ein Ich beziehen. Sie sind da in demselben Sinne – nur umgekehrt – wie jene Richtung, welche die Lebenserscheinungen durch die Lebenskraft erklären will; denn wie die Lebenskraft das fünfte Rad am Wagen ist, so wird durch die Erklärungen, die für das Seelenleben beigebracht werden, nicht nur nichts erklärt, sondern sie sind sogar ganz überflüssig, wenn es sich um das wahre Erforschen des Seelischen handelt. Man sieht dann, daß solche Erklärer das Seelische wirklich ungeschoren lassen und gar nicht dort herankommen, so daß also das Seelische für sich bleibt und sich als etwas erweist, woran die äußeren Erklärungen nicht herankommen können. Erst wenn im Zeitbewusstsein das Gefühl entstehen wird, daß man Geistesforschung nicht nach der Oberfläche, sondern nur durch ein vertieftes Hineingehen in sie beurteilen kann, erst dann wird nicht irgend ein Urteil maßgebend sein können, das von außen über die Geistesforschung kommt.
Und wie es mit den wissenschaftlichen Einwänden ist, so auch mit den Einwänden, die im ersten Vortrage in moralischer oder religiöser Hinsicht gegen die Geistesforschung vorgebracht worden sind. Wenn z. B. gesagt wird, es sei unendlich viel wertvoller, wenn jemand aus reiner Selbstlosigkeit, selbst mit der Aussicht im Tode vernichtet zu werden, das Gute tue, nur aus der Einsicht und dem Willen, daß es in die Allgemeinheit übergehe... als wenn er es tue im Hinblick auf einen Ausgleich in folgenden Erdenleben, so ist ein solches Urteil durchaus wahr und soll nicht bestritten werden. Wahr ist es, wenn gesagt wird, daß jemand nur aus Egoismus heraus etwas Gutes tue, wenn er glaube, daß es ihm dann durch das „Karma“ in einer Art Vergeltung wieder als ein Gutes im neuen Erdenleben zukomme, oder wenn er das Böse deshalb unterlässt, weil es sich als eine Art Strafe im neuen Leben wieder zeigen könnte. Es ist gewiss, daß man eine solche Behauptung als den Egoismus begründend einsehen kann und daher mit vollem Rechte sagen darf: also werde ja gerade durch das, was die Geistesforschung über den Menschen zu sagen habe, der Egoismus unter den Menschen gefördert. Schopenhauer hat einmal mit Recht gesagt (Sie wissen, daß ich durchaus nicht überall mit ihm übereinstimme): „Moral predigen ist leicht, Moral begründen, schwer.“ Was heißt Moral begründen? Es heißt, eine Seelenverfassung herbeiführen, durch welche der Mensch zu einem moralischen Handeln kommen kann. Wer das Völkerleben kennt, der weiß, daß Moral predigen nicht nur leicht ist, sondern meistens sehr nutzlos ist; denn man kann sehr wohl recht gute Moralgrundsätze kennen - und recht schlecht handeln; und wenn es sich bloß um das Anhören von Moralpredigten handelte, so würde es ganz gewiss viel mehr moralische Menschen geben, als es der Fall ist. - Es könnte jemand z. B. sagen: man nehme ein Elternpaar an, das seinen Kindern gegenüber alles anstreben würde, damit diese ordentliche und tüchtige Menschen werden. Denn – so sagen die Eltern - wenn wir sie zu ordentlichen, tüchtigen Leuten machen, so werden sie uns im Alter eine Stütze sein können, und wir werden alles Mögliche von ihnen haben können. Wenn die Eltern ihre Kinder unter diesem Gesichtspunkte erziehen, so ist es zweifellos ein höchst egoistischer Gesichtspunkt. Aber nehmen wir nun an, die Kinder werden ordentlich, so daß sie tüchtige Leute sind, wenn sie herangewachsen sind; dann haben die Eltern zwar etwas Egoistisches getan – aber sie haben Moral nicht selbst gepredigt, wohl aber Moral begründet, und es könnte sich herausstellen, daß sie, wenn sie die Kinder zu tüchtigen Leuten machen, und diese dann später etwas ganz anderes zeigen, als sie sich vorgestellt haben, noch zu einer ganz anderen ethischen Auffassung kommen. Da wäre auch für die Eltern Moral begründet, nicht gepredigt. – Nehmen wir an, ein Mensch hätte nicht die Gelegenheit, für sein nächstes Erdenleben den Ausgleich für schlechte Handlungen zu berechnen. Aber indem er nun unter dem Einfluss einer solchen Anschauung von dem Karma Handlungen begeht, wird sich ihm allmählich eine moralische Weltanschauung herausbilden; sie wird aus der menschlichen Natur heraus begründet werden. Wer noch auf einer niederen moralischen Stufe handelt, wird ja gewiss aus einer egoistischeren Auffassung des Karma heraus handeln; wer aber auf den höheren Standpunkt gekommen ist und daher auch eine höhere Auffassung von dem Karma hat, wird in sich eine selbstlose Moralforderung erfüllen.
So handelt es sich darum, daß man nicht abstrakt auf etwas hinweise, indem man eine Karma-Idee egoistisch nennt, sondern dass man zeigt, wie sie den Menschen zu einer höheren Entwicklung hinaufführt. Das könnte noch weiter ausgeführt werden und gezeigt werden, wie die Geistesforschung auf das Reale, auf das Wirkliche der Menschennatur geht. Und wenn jemand den anderen Einwand erheben würde, daß viele sich sagen könnten: Ich habe spätere Erdenleben vor mir, da brauche ich erst in den späteren Leben ein ordentlicher Mensch zu werden; jetzt habe ich noch Zeit, jetzt kann ich noch ein unordentlicher Mensch sein ... so wäre das ein Einwand, der auch theoretisch zu widerlegen ist. Um sich aber richtig zu ihm zu stellen, dazu gehört, daß man die praktischen Verhältnisse kennt. Man muß wissen, daß jemand, der der Ansicht wäre, er brauchte in seinem jetzigen Leben noch kein ordentlicher Mensch zu sein, er wolle dies erst im nächsten Leben werden ... daß dieser durch einen solchen Vorsatz in sein nächstes Leben hineingewirkt hat; und wenn er nicht jetzt beschließt, ein ordentlicher Mensch zu werden, so hat er eben auch für das nächste Leben nicht die nötigen Grundlagen dazu; er nimmt sich also jetzt schon die Fähigkeit, um später ein ordentlicher Mensch zu sein; er schafft sich selbst die Kräfte dafür hinweg. Und so könnte wieder Stück für Stück über die berechtigten moralischen Einwände gesprochen werden.
Und der religiöse Einwand ist auch berücksichtigt. Es wird gesagt: Da muß die Geistesforschung erklären, daß in jeder Seele ein Funke des Göttlichen ist, und daß der Mensch diesen Gottesfunken von Leben zu Leben immer mehr und mehr entwickelt. Es wird also der Funke des Göttlichen in die menschliche Brust verlegt. Wie man sich zu dieser Sache verhält, wenn man sie in das richtige Licht zu bringen weiß, das versuchte ich zu zeigen in der ersten Szene meines Mysterien-Dramas „Die Prüfung der Seele“.*) Gewiss, man kann sagen, es gehe durch eine solche Anschauung das verloren, was gerade das religiöse Prinzip genannt werden kann: das Abhängigkeitsgefühl von dem Göttlichen, außerhalb dessen der Mensch steht, das kindliche Hinaufblicken zu diesem außer ihm befindlichen Göttlichen. Aber man nehme nun das, was von dem anderen Standpunkte aus zu sagen ist: Daß der Mensch völlig einsehe, daß das Göttliche einen Funken in ihn gelegt hat, den er erleben muß und zur Entfaltung bringen muß, daß er tatsächlich einzusehen vermag: du trägst in dir einen göttlichen Funken, und läßt du ihn unentwickelt, so läßt du ihn verkümmern! Dieses Beisammensein mit dem Göttlichen – und doch wieder die Notwendigkeit, diesen Funken erst entwickeln zu müssen, das ist ein Antrieb von einer unendlich viel größeren Stärke, als jeder andere religiöse Antrieb. Wer sich auf die Geisteswissenschaft einlässt, wird schon sehen, daß es sich nirgends um eine Gegnerschaft zu irgend einem religiösen Bekenntnisse handelt. Man glaubt,
*) Siehe Rudolf Steiner: Vier Mysteriendramen (in einem Bande): Die Pforte der Einweihung. Die Prüfung der Seele. Der Hüter der Schwelle. Der Seelen Erwachen. |
weil sich religiöse Bekenntnisse so gerne gegen Geisteswissenschaft wenden, daß sich nun die Geisteswissenschaft auch gegen religiöse Bekenntnisse wenden werde. Aber gerade wie mit den vorhin charakterisierten wissenschaftlichen Einwänden ist es auch mit diesem religiösen Einwandes keinem religiösen Bekenntnisse kommt Geisteswissenschaft in die Wege; denn sie hat es mit dem Verhältnisse der Menschenseele zu den übersinnlichen Welten zu tun, während es die Religion zu tun hat mit dem Verhältnis zu der einzelnen Seele. Und wer wirklich zu sehen vermag, der wird sehen, wie es für den Menschen durchaus möglich ist, Geistesforschung zu treiben, trotzdem er voll in einem für ihn naturgemäßen religiösen Bekenntnisse drinnen stehen bleibt. Die wahre Begründung von Geistesforschung aber, wenn sie von der Welt aufgenommen wird, wird dem Menschen das geben können, was man nennen kann eine vertieftere Auffassung des seelischen Lebens, sowohl des einzelnen seelischen Lebens, wie des Zusammenlebens der Seelen. Wer sich nur ein wenig davon überzeugen kann, dass alles äußere menschliche Zusammenleben nur ein äußeres Bild dessen sein kann, wie die Seelen zueinander stehen, der wird das Unermessliche einsehen, was sich für die Seele ergibt, wenn sie zu der Erkenntnis kommt, wie die einzelne Seele zu der anderen steht, wie die einzelne Seele zur anderen stehen kann, wenn sie richtig erfaßt hat, wie die Schicksale der einzelnen Seele gegenüber der anderen Seele sind im Leben zwischen dem Tode und der nächsten Geburt, – welches die Schicksale für die einzelne Seele sind, was es heißt, von einer anderen Seele abgetrennt zu sein, was es heißt, ein neues Verhältnis zu gewinnen zu der abgeschiedenen Seele, wenn die Seele, die hier geblieben ist, etwas von der übersinnlichen Welt wissen kann.
Über alles menschliche Wissen und über alle sonstigen Verhältnisse des Menschenlebens wird neues Licht ausgegossen, wenn sich das in die Seelen zu senken vermag, was aus den Tiefen der übersinnlichen Welt für jede einzelne Seele hervorgeholt werden kann. Ein Hineinleben – nicht bloß ein Hineindenken,– gehört zu dem Erkennen, zu dem Erschauen, zu dem Verstehen der geistigen Wahrheiten. Das hat man nicht erst durch die Geistesforschung der neueren Zeit erkannt, sondern das hat man im Grunde genommen immer schon überall da erkannt, wo man aus einer wirklichen Erkenntnis der geistigen Welt heraus gesprochen hat. Und nicht von mir selbst aus möchte ich sagen, was ich zu sagen hätte für die Stellung der Geistesforschung gegenüber denen, welche sie, ohne sie wirklich zu kennen, ablehnen, wohl aber von Johann Gottlieb Fichte aus möchte ich es sagen; und wenn manches Schwerwiegende, vielleicht auch für manchen Verletzende in diesem Ausspruche ist, so berücksichtige man, daß er von einem Manne herkommt, der, voller Enthusiasmus für Geistesforschung, seinen Zorn verkünden wollte allen denjenigen, welche, ohne wirklich einen Einblick in die geistige Forschung gewinnen zu wollen, sie ablehnen und sie bekämpfen zu müssen glauben. Diesen ruft Fichte zu:
„Sie können nicht anders, als jene sie beschämende Überzeugung von einem Höheren im Menschen und alle Erscheinungen, die diese Überzeugung bestätigen wollen, wütend anfeinden;
sie müssen alles mögliche tun, um diese Erscheinungen von sich abzuhalten und sie zu unterdrücken; sie kämpfen für ihr Leben, für die feinste und innigste Wurzel ihres Lebens, für die Möglichkeit, sich selber zu ertragen. Aller Fanatismus und alle wütende Äußerung desselben ist, vom Anfange der Welt an bis auf diesen Tag, ausgegangen von dem Prinzip: wenn die Gegner Recht hätten, so wäre ich ja ein armseliger Mensch.– Vermag dieser Fanatismus zu Feuer und Schwert zu gelangen, so greift er den verhaßten Feind an mit Feuer und Schwert; sind diese ihm unzugänglich, so bleibt ihm“ (– dieses letztere muß man ja für unsere Gegenwart doch auch sagen) „die Zunge, welche, wenn sie auch den Feind nicht tötet, doch sehr oft seine Tätigkeit und Wirksamkeit nach außen kräftig zu lähmen vermag. Eines der gebräuchlichsten und beliebtesten Kunststücke mit dieser Zunge ist dieses, daß sie der, nur ihnen verhauten Sache einen allgemein verhauten Namen beilegen, um dadurch sie zu verschreien und verdächtig zu machen. Der stehende Schafs dieser Kunstgriffe und dieser Benennungen ist unerschöpflich und wird immerfort bereichert, und es würde vergeblich sein, hierbei einige Vollständigkeit anzustreben. Nur einer der gewöhnlichsten verhalten Benennungen will ich hier gedenken: der, daß man sagt, diese Lehre sei Mystizismus.
Bemerken Sie hierbei, zuvörderst in Absicht der Form jener Beschuldigung; daß, falls etwa ein Unbefangener darauf antworten würde: Nun wohl, labt uns annehmen, es sei Mystizismus, und der Mystizismus sei eine irrige und gefährliche Lehre, so mag er darum doch immer seine Sache vortragen, und wir wollen ihn anhören; ist er irrig und gefährlich, so wird das bei der Gelegenheit wohl an den Tag kommen, – jene, der kategorischen Entscheidung gemäß, mit welcher sie dadurch uns abgewiesen zu haben glauben, darauf antworten müßten: da ist nichts mehr anzuhören; schon vorlängst, wohl seit anderthalb Menschenleben, ist der Mystizismus durch die einmütigen Beschlüsse aller unserer Rezensionskonzilien als Ketzerei dekretiert und mit dem Banne belegt“.*)
So Johann Gottlieb Fichte. Und Fichte spricht sich so aus, daß es einigermaßen auch heute noch gelten kann über das Verhältnis der Geistesforschung – sagen wir zu denen, die – nur ihren Sinnen vertrauen wollen und die Welt nach dem eingerichtet haben wollen, was ihnen ihre Sinne sagen. Fichte vergleicht solche Menschen (obwohl dieser Vergleich vielleicht nicht ganz berechtigt ist), die nur ihren Sinnen vertrauen wollen und nicht zugeben wollen, daß es eine nähere Erkenntnis der
*) Johann Gottlieb Fichte: „Die Anweisung zum seligen Leben“, zweite Vorlesung. |
Wahrheit gibt, mit Taubstummen und Blindgeborenen, die auch nicht Töne und Farben zugeben wollten, wenn ihnen durch die Sehenden davon gesprochen wird. Nun kann man Blindgeborene und Taube allerdings nicht mit denen vergleichen, die nicht aufnehmen wollen, was durch die hellseherische Forschung gegeben werden kann, weil jede Seele fähig ist, sich in ein Verhältnis zu den übersinnlichen Wahrheiten zu bringen. Aber Fichte sagt:
„Daß man sich auch der Taubstummen und der Blindgeborenen annimmt und einen Weg sich ausgesonnen hat, um an sie Unterricht zu bringen, ist alles Dankes wert – von den Taubstummen nämlich und den Blindgeborenen. Wenn man aber diese Weise des Unterrichts zum allgemeinen Unterrichte, auch für die Gesundgeborenen, machen wollte, weil neben ihnen doch immer auch Taubstumme und Blindgeborene vorhanden sein könnten, und man dann sicher wäre, für alle gesorgt zu haben; wenn der Hörende ohne alle Achtung für sein Gehör ebenso mühsam reden und die Worte auf den Lippen erkennen lernen sollte, als der Taubstumme, und der Sehende ohne alle Achtung für sein Sehen die Buchstaben durch Betastung lesen, so würde dies gar wenig Dank verdienen von den Gesunden; ohnerachtet diese Einrichtung freilich sogleich getroffen werden würde, sobald die Einrichtung des öffentlichen Unterrichts von dem Gutachten der Taubstummen und Blindgeborenen abhängig gemacht würde.“
Vielleicht würde man sagen können, wenn man schon gegen diesen Fichte´schen Satz einen Einwand machen wollte, daß es nicht einmal so bei den Blindgeborenen und Taubstummen zugehen würde. Wenn es aber auf diejenigen ankäme, die nur auf die Sinne und auf den Verstand vertrauen, um darauf zu kommen, wie die Welt gestaltet sein sollte, so würden sie diese nicht so gestalten, wie die Sehenden sie erblicken; sie würden zwar wettern und sich auflehnen gegen alle spirituelle Interpretation der Welt von seiten anderer, würden aber sich selbst für unfehlbar erklären in bezug auf das, was sie über die Welt zu sagen wissen. Hohnlachend würden sie sich verhalten, wenn verlangt würde, daß nur der über eine solche Sache sprechen sollte, der von ihr weiß, und dass diejenigen nichts darüber sagen sollten, die nichts von ihr wissen. Der Hauptgrund aller Leugner der Geistesforschung ist ja nur der, daß sie nichts von ihr wissen. Logisch wäre die erste Forderung, daß nur derjenige über eine Sache sprechen soll, der etwas von ihr weiß. Aber solche Gründe, daß man etwas ableugnet, von dem man nichts weiß, werden nur zur Ablehnung von einer geisteswissenschaftlichen Weltanschauung in unserer Zeit gebraucht. Wer aber in seiner Seele durchleben kann, was in dem ersten Vortrage gesagt worden ist, wer nicht zu warten braucht auf die Einwände, die er in sich selber erleben kann und in seinem Geistesleben zu durchschauen vermag, der wird auch immer einen Weg finden zur Begründung der Geistesforschung, so daß für ihn ein Wahrwort wird, was ich auch in der ersten Szene der „Prüfung der Seele“ ausgesprochen habe, und was in der ganzen Verfassung des Bewusstseins zusammenfassen kann, was uns das Wissen von den übersinnlichen Welten geben kann; geben kann für unsere Lebenshoffnung, für unsere Kraft im Leben, für unsere Sicherheit im Leben, für alles, was wir zu einem menschenwerten Dasein gebrauchen. Und alles, was gesagt werden kann – was man sagen kann als in der Seele sich erhebend, in der Seele sich erlebend und erfühlend, das kann eben zusammen gefaßt werden in die Worte: Nicht bist du mit deinem Denken, Fühlen und Wollen allein. Wie du mit deinem Leib in den Stoffen lebst, die im ganzen Weltall verbreitet sind, so lebst du mit deinem Denken, Fühlen und Wollen in etwas, was in dem ganzen Kosmos, in den Raumesweiten ausgebreitet ist. – Das heißt, es kann der Ausspruch, den ich an der bezeichneten Stelle meines Mysterien-Dramas gesagt habe, Überzeugung werden:
„In deinem Denken leben Weltgedanken,
In deinem Fühlen weben Weltenkräfte,
In deinem Willen wirken Weltenwesen.
Verliere dich in Weltgedanken,
Erlebe dich durch Weltenkräfte,
Erschaffe dich aus Willenswesen.
Bei Weltenfernen ende nicht
Durch Denkenstraumesspiel – – –,
Beginne in den Geistesweiten,
Und ende in den eignen Seelentiefen: –
Du findest Götterziele Erkennend dich in dir.“
* * *
Als Ergänzung empfehle ich mein Buch "Christentum und Atheismus im Vergleich mit
Okkultismus und Magie". |