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Rudolf Steiner

Die Kernpunkte der sozialen Frage
(GA 23)

S. 10-12: "Innerhalb des Staatsgefüges ist das Geistesleben zur Freiheit herangewachsen; es kann in dieser Freiheit nicht richtig leben, wenn ihm nicht die volle Selbstverwaltung gegeben wird. Das Geistesleben fordert durch das Wesen, das es angenommen hat, daß es ein völlig selbständiges Glied des sozialen Organismus bilde. Das Erziehungs- und Unterrichtswesen, aus dem ja doch alles geistige Leben herauswächst, muß in die Verwaltung derer gestellt werden, die erziehen und unterrichten. In diese Verwaltung soll nichts hineinreden oder hineinregieren, was im Staate oder in der Wirtschaft tätig ist. Jeder Unterrichtende hat für das Unterrichten nur so viel Zeit aufzuwenden, daß er auch noch ein Verwaltender auf seinem Gebiete sein kann. Er wird dadurch die Verwaltung so besorgen, wie er die Erziehung und den Unterricht selbst besorgt. Niemand gibt Vorschriften, der nicht gleichzeitig selbst im lebendigen Unterrichten und Erziehen drinnen steht. Kein Parlament, keine Persönlichkeit, die vielleicht einmal unterrichtet hat, aber dies nicht mehr selbst tut, sprechen mit.

... Es liegt in der Richtung des in dieser Schrift Dargestellten, daß auch die Einrichtungen und der Unterrichtsinhalt derjenigen Anstalten, die dem Staate oder dem Wirtschaftleben dienen, von den Verwaltern des freien Geisteslebens besorgt werden. Juristenschulen, Handelsschulen, landwirtschaftliche und industrielle Unterrichtsanstalten werden ihre Gestaltung aus dem Geistesleben heraus erhalten."

S. 16: "Das Wirtschaftsleben strebt darnach, sich aus seinen eigenen Kräften heraus unabhängig von Staatseinrichtungen, aber auch von staatlicher Denkweise zu gestalten. Es wird dies nur können, wenn sich, nach rein wirtschaftlichen Gesichtspunkten, Assoziationen bilden, die aus Kreisen von Konsumenten, von Handeltreibenden und Produzenten sich zusammenschließen. Durch die Verhältnisse des Lebens wird der Umfang solcher Assoziationen sich von selbst regeln. Zu kleine Assoziationen würden zu kostspielig, zu große wirtschaftlich zu unübersichtlich arbeiten."

S. 61-63: "Man kann heute von "Sozialisierung" als von dem reden hören, was der Zeit nötig ist. Diese Sozialisierung wird kein Heilungsprozeß, sondern ein Kurpfuscherprozeß am sozialen Organismus sein, vielleicht sogar ein Zerstörungsprozeß, wenn nicht in die menschlichen Herzen, in die menschlichen Seelen einzieht wenigstens die instinktive Erkenntnis von der Notwendigkeit der Dreigliederung des sozialen Organismus. Dieser soziale Organismus muß, wenn er gesund wirken soll, drei solche Glieder gesetzmäßig ausbilden.

Eines dieser Glieder ist das Wirtschaftsleben. ..... Zu tun hat es dieses Wirtschaftsleben mit all dem, was Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum ist.

Als zweites Glied des sozialen Organismus ist zu betrachten das Leben des öffentlichen Rechtes, das eigentliche politische Leben. ..... Es ist wesentlich für die Erkenntnis der Glieder des sozialen Organismus, daß man weiß, welcher Unterschied besteht zwischen dem System des öffentlichen Rechtes, das es nur zu tun haben kann aus menschlichen Untergründen heraus mit dem Verhältnis von Mensch zu Mensch, und dem Wirtschafts-System, das es nur zu tun hat mit Warenproduktion, Warenzirkulation, Warenkonsum.

Als drittes Glied, das ebenso selbständig sich neben die beiden andern Glieder hinstellen muß, hat man im sozialen Organismus das aufzufassen, was sich auf das geistige Leben bezieht. ..... Das dritte System hat zu tun mit all dem, was hervorsprießen muß und eingegliedert werden muß in den sozialen Organismus aus der einzelnen menschlichen Individualität heraus."

S. 68: "Tragen die Menschen diejenigen Interessen, denen sie in ihrem Wirtschaftleben dienen müssen, in die Gesetzgebung und Verwaltung des Rechtsstaates hinein, so werden die entstehenden Rechte nur der Ausdruck dieser wirtschaftlichen Interessen sein. Ist der Rechtsstaat selbst Wirtschafter, so verliert er die Fähigkeit, das Rechtsleben der Menschen zu regeln."

S. 76-77: "Die Bestrebung, mit der führende Kreise der Menschheit begonnen haben und die zur Überleitung gewisser Wirtschaftszweige (Post, Eisenbahnen und so weiter) in das Staatsleben geführt hat, muß der entgegengesetzten weichen: der Herauslösung alles Wirtschaftens aus dem Gebiete des politischen Staatslebens."

S. 81: "Man spricht ja wohl von "Freiheit der Wissenschaft und des Lehrens". Aber man betrachtet es als selbstverständlich, daß der politische Staat die "freie Wissenschaft" und das "freie Lehren" verwaltet. Man entwickelt keine Empfindung dafür, wie dieser Staat dadurch das Geistesleben von seinen staatlichen Bedürfnissen abhängig macht."

S. 89: "Dann wird man erkennen, daß das Zusammenwirken der Menschen im Wirtschaftsleben auf derjenigen Brüderlichkeit ruhen muß, die aus den Assoziationen heraus ersteht. In dem zweiten Gliede, in dem System des öffentlichen Rechts, wo man es zu tun hat mit dem rein menschlichen Verhältnis von Person zu Person, hat man zu erstreben die Verwirklichung der Idee der Gleichheit. Und auf dem geistigen Gebiete, das in relativer Selbständigkeit im sozialen Organismus steht, hat man es zu tun mit Verwirklichung des Impulses der Freiheit."

S. 110: "Die Möglichkeit, frei über die Kapitalgrundlage aus den individuellen Fähigkeiten heraus zu verfügen, muß bestehen; das damit verbundene Eigentumsrecht muß in dem Augenblicke verändert werden können, in dem es umschlägt in ein Mittel zur ungerechtfertigten Machtentfaltung. In unserer Zeit haben wir eine Einrichtung, welche der hier angedeuteten sozialen Forderung Rechnung trägt, teilweise durchgeführt nur für das sogenannte geistige Eigentum. Dieses geht einige Zeit nach dem Tode des Schaffenden in freies Besitztum der Allgemeinheit über."

S. 132/133: "Und damit Geld, das nicht in Produktionsbetrieben arbeitet, nicht mit Umgehung der Maßnahmen der Wirtschaftsorganisation von Inhabern zurückbehalten werden, kann Umprägung oder Neudruck von Zeit zu Zeit stattfinden. Aus solchen Verhältnissen heraus wird sich allerdings auch ergeben, daß der Zinsbezug von einem Kapitale im Laufe der Jahre sich immer verringere. Das Geld wird sich abnützen, wie sich Waren abnützen. Doch wird eine solche vom Staate zu treffende Maßnahme gerecht sein. ‚Zins auf Zins' wird es nicht geben können."